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\\ Zinssatz in Steuersachen ist verfassungswidrig

Das Bundesverfassungsgericht (Beschluss v. 08.07.2021, Az. 1 BvR 2237/14; 1 BvR 2422/17) hält eine Verzinsung von Steuernachforderungen und Steuererstattungen mit einem monatlichen Zinssatz von 0,5 % (6 % pro Jahr) für verfassungswidrig.

Grundsätzlich sind gem. § 233a AO Steuernachforderungen und Steuererstattungen zu verzinsen. Dies gilt ab dem 15 Monat nach Beendigung des jeweiligen Veranlagungszeitraums (während der Corona-Pandemie gelten verlängerte Fristen). Die Zinsen betragen gemäß § 238 Abs. 1 AO für jeden vollen Monat 0,5 %, mithin 6 % jährlich.

Grundsätzlich sollte damit eine Gleichbehandlung zwischen den Bürgern, die ihre Erklärung sehr früh abgeben, und den Bürgern, die ihre Erklärung sehr spät abgeben, herbeigeführt werden. Durch den Zins soll der Zinsvorteil derjenigen abgeschöpft werden, die die Erklärung später abgeben und damit ihr Geld länger am freien Markt nutzen können. Der Zinssatz stammt dabei noch aus den 90er Jahren und war bis dato unverändert.

Das Bundesverfassungsgericht urteilte nun, dass dieser Zinssatz seit 2014 „evident realitätsfern“ sei. Seit 2008 ist eine deutliche Niedrigzinsphase zu vernehmen. Die „Abschöpfung“ von Zinsvorteilen mit einem Zinssatz von 6 % ist nicht mehr zu rechtfertigenden, wenn es am Markt diesen Zinssatz faktisch nicht mehr gibt. Es liegt eine Ungleichbehandlung vor. Seit spätestens2014 sei die Entwicklung eines Niedrigzinsniveaus nicht mehr Ausdruck üblicher Zinsschwankungen, sondern strukturell und nachhaltig bedingt. Bis 2013 habe die Vollverzinsung noch keine evident überschießende Wirkung, so dass bis dahin der Zinssatz nicht zu beanstanden sei.

Für Verzugszeiträume von 01.01.2014 bis 31.12.2018 gelte § 233a AO fort, ab dem Jahr 2019 ist der Zinssatz aber unanwendbar, so dass der Gesetzgeber nunmehr rückwirkend eine neue Regelung schaffen muss. Die Neuregelung ist bis zum 31.07.2022 zu treffen und muss sich auf alle Verzinsungszeiträume ab dem Jahr 2019 und alle noch nicht bestandskräftigen Verwaltungsakte beziehen.

Expertentipp: Sollten Sie nunmehr Steuerbescheide mit Zinsfestsetzungen erhalten, müssen Sie prüfen, ob der Bescheid diesbezüglich vorläufig erlassen wurde oder aber ob ein Einspruch erforderlich ist. Nötigenfalls sollten Sie Einspruch erheben, um von der absehbaren Änderung der Nachzahlungszinsen zu profitieren.

Maximilian Maar, Fachanwalt für Steuerrecht

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