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Fachgebiete
Erbrecht
I. Erben und Vererben
Mehrere 100 Millionen EURO werden jährlich in Deutschland privat vererbt. Umso erstaunlicher ist es deshalb, das die meisten Mitbürger nach dem Motto "Nach mir die Sintflut" handeln. Nur etwa jeder dritte Deutsche hinterlässt eine letztwillige Verfügung. Von diesem Drittel wiederum sind nahezu 80 % der letztwilligen Verfügungen formunwirksam, widersprüchlich oder führen schlichtweg nicht zu dem gewünschten Ergebnis.
Ganz offensichtlich hat dieses nicht nachvollziehbare Verhalten seinen Grund in einer Tabuisierung des eigenen Ablebens. Der Umgang mit dem eigenen Tod bereitet vielen Menschen erhebliche Schwierigkeiten. Man befasst sich eben ungern mit wissenschaftlich nicht fassbaren Dingen, die außerhalb des irdischen Lebens liegen.
Das Verdrängen des eigenen Ablebens und der daraus resultierende Verzicht auf eine vernünftige Nachlassplanung kann nur als verantwortungs- und rücksichtslos bezeichnet werden. Nicht selten kommt es dadurch zu Streitigkeiten, die Familien über Generationen hinweg spalten und auseinanderbrechen lassen. Darüber hinaus wird dem Fiskus unnötig Erbschaftssteuern in erheblichem Maße in den Rachen geworfen.
Deshalb kann Ziel einer vernünftigen Nachlassplanung nur sein: Friedenstiften unter den Nachfahren und Vermeidung einer unnötigen Bereicherung des Staates.
Nachstehend seien einige grundlegende Ausführungen zum Erbrecht gemacht, wobei jedoch auf Grund ständiger Änderungen in der Gesetzgebung und Rechtsprechung keine Haftung für den Inhalt übernommen werden kann.
1. Gesetzliche Erbfolge
Die gesetzliche Erbfolge richtet sich nach dem Verwandtschaftsgrad zwischen dem Erblasser und dem jeweiligen Erben. Hierzu hat der Gesetzgeber die einzelnen Verwandten in Ordnungen eingeteilt, wobei zu beachten ist, dass ein Verwandter der näheren Ordnung einen Verwandten der entfernteren Ordnung ausschließt.
1. Ordnung (§ 1924) BGB
Abkömmlinge des Erblassers.
Zu den Abkömmlingen des Erblassers gehören Kinder, Enkel und Urenkel, aber auch adoptierte und nichteheliche Kinder. Nichtehelich geborene Kinder sind seit in Kraft treten des Erbrechtsgleichstellungsgesetzes ebenso wie eheliche Kinder voll erbberechtigt.
2. Ordnung (§ 1925 BGB)
Eltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
Hierunter versteht man die Geschwister des Erblassers und wiederum deren Kinder.
3. Ordnung (§ 1926 BGB)
Großeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
Unter dieser Ordnung sind Onkel und Tanten des Erblassers, sowie deren Kinder, mithin Neffen und Nichten, zu fassen.
4. Ordnung (§ 1928 BGB)
Urgroßeltern des Erblassers und deren Abkömmlinge.
Da die Verwandtschaftsverhältnisse in dieser Ordnung sich nur schwer nachweisen lassen, wird hier nicht mehr nach Stämmen geerbt, sondern nach dem Grad der Verwandtschaft. Daher erbt derjenige, welcher mit dem Erblasser dem Grade nach am nächsten verwandt ist alleine; mehrere gleich nahe Verwandte erben zu gleichen Teilen.
2. Gesetzliches Erbrecht des Ehegatten
Das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten ist in § 1931 BGB geregelt und hängt vom Güterstand der Eheleute ab. Ist zwischen den Ehegatten nichts Weiteres durch einen notariellen Ehevertrag geregelt, so ist der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft zu Grunde zu legen.
Beim gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft erhält der überlebende Ehegatte gemäß § 1371 BGB als Pauschale einen erbrechtlichen Zugewinnausgleich in Höhe von ¼, der dem gesetzlichen Erbteil hinzugerechnet wird.
Neben Verwandten der 1. Ordnung beträgt dieser gesetzliche Erbteil ¼. Neben Verwandten der 2. Ordnung oder Großeltern beträgt der gesetzliche Erbteil ½.
Sind weder Verwandte der 1., noch der 2. Ordnung vorhanden und auch die Großeltern des Erblassers nicht mehr am Leben, so erbt der überlebende Ehegatte alleine.
Es ist jedoch unbedingt zu beachten, dass beim Erbrecht der Ehegatten diverse Sonderreglungen bestehen. So ändert sich die Erbqoute schon dadurch, dass die Ehegatten einen anderen Güterstand gewählt haben, also Gütertrennung oder Gütergemeinschaft.
In besonderen Konstellationen kann es außerdem für den überlebenden Ehegatten von Vorteil sein, den erbrechtlichen Zugewinnausgleich nach § 1371 Absatz 4 BGB auszuschlagen und stattdessen einen Zugewinnausgleich zu verlangen, wie er sonst bei einer Scheidung durchgeführt wird. Zusätzlich hierzu kann der Ehegatte dann seinen sog. "kleinen Pflichtteil" aus dem Erbrecht verlangen.
Bevor jedoch von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht wird, sollte unbedingt ein kompetenter Berater hinzugezogen werden, da die Erfahrung lehrt, dass diese Vorgehensweise nur in seltensten Fällen wirtschaftlich sinnvoll ist.
Zusätzlich zu seinem Ehegattenerbteil erhält der Ehegatte den so genannten "Voraus" gemäß § 1932 BGB. Es handelt sich hierbei um ein gesetzliches Vorausvermächtnis. Der überlebende Ehegatte erhält demnach den gesamten Hausrat und die Hochzeitsgeschenke, ohne dass diese auf den Erbteil im Einzelnen angerechnet werden.
Von der eben skizzierten gesetzlichen Erbfolge kann durch eine so genannte gewillkürte Erbfolge abgewichen werden, d. h., der Erblasser bedient sich einer letztwilligen Verfügung (Testament, gemeinschaftliches Ehegattentestament, Erbvertrag).
3. Pflichtteil
§ 2303 BGB legt fest, welche Personen dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten zugerechnet werden. Dies sind die Abkömmlinge des Erblassers, die Eltern und der Ehegatte. Grundvoraussetzung für die Geltendmachung des Pflichtteils ist, dass die pflichtteilsberechtigte Person enterbt ist, bzw. durch die Erbeinsetzung weniger erhalten würde, als der gesetzliche Pflichtteil ausmacht. Eltern wiederum sind nur dann pflichtteilsberechtigt, wenn keine Abkömmlinge vorhanden sind.
Die Höhe des Pflichtteils bemisst sich nach § 2303 Absatz 1 BGB und beträgt die Hälfte des Wertes des jeweiligen gesetzlichen Erbteils. Folglich gilt es zur Feststellung der Pflichtteilsquote zunächst die gesetzliche Erbquote festzustellen.
Bei der Durchsetzung von Pflichtteilsansprüchen wird dringend die Hinzuziehung eines Fachberaters empfohlen, da zum einen die Berechnung der Quoten sehr kompliziert sein kann und darüber hinaus die Feststellung des tatsächlichen Nachlasses nur mittels der Geltendmachung von Auskunftsansprüchen gegenüber dem Erben oder der Erbengemeinschaft möglich ist. Auch dies führt in der Praxis häufig zu Problemen.
Der Pflichtteilsanspruch verjährt innerhalb der gesetzlichen Regelverjährungsfrist des § 195 BGB innerhalb von drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt für den Pflichtteil gemäß § 199 BGB mit dem Schluss des Kalenderjahres zu laufen, in dem der Pflichtteilsberechtigte Kenntnis vom Erbfall und von der Tatsache erlangt hat, dass er durch eine letztwillige Verfügung von der Erbfolge ausgeschlossen ist. Angesichts der notwendigen vorbereitenden Auskünfte sollte sich der Pflichtteilsberechtigte über mögliche Pflichtteilsansprüche daher jedenfalls zeitnah nach dem Erbfall durch einen Experten beraten lassen.
In der Praxis erlebt man häufig, dass der Erblasser noch kurz vor seinem Ableben erhebliche Anteile seines Vermögens verschenkt bzw. in sonstiger Form auf andere Personen transferiert. Der Pflichtteilsanspruch würde in derartigen Fällen häufig ins Leere laufen.
Für diesen Fall hat der Gesetzgeber jedoch den so genannten Pflichtteilsergänzungsanspruch gemäß § 2325 BGB vorgesehen, der es dem Pflichtteilsberechtigten ermöglicht alle Geschenke des Erblassers in den letzten 10 Jahren vor dessen Ableben in den Nachlass (teilweise) einzubeziehen. In besonderen Fällen ist eine Einbeziehung sogar über die 10-Jahres-Frist hinaus möglich, so z.B. bei Schenkungen an den Ehegatten, da die 10-Jahres-Frist gemäß § 2325 Absatz 3 Satz 3 BGB nicht vor der Auflösung der Ehe zu laufen beginnt.
Deshalb gilt: Beim Pflichtteilsergänzungsanspruch können noch schneller erhebliche rechtliche und tatsächliche Probleme auftreten, weswegen die Hinzuziehung eines Fachberaters unerlässlich ist.
II. Vorsorgevollmacht/Patientenverfügung
Oft verändert sich der geordnete Lebensweg binnen Minuten oder gar Sekunden. Ein folgenschwerer Unfall oder eine Krankheit können Ursache dafür sein, dass auch junge Menschen binnen kurzer Zeit ihre Angelegenheiten nicht mehr eigenverantwortlich regeln können und vorübergehend oder für immer von anderen Menschen abhängig sind. Wer sein Schicksal nicht in die Hände fremder Menschen legen möchte, muss Vorsorge treffen. Der Grund: entgegen weit verbreiteter Ansicht können die nächsten Verwandten, z. B. Ehepartner oder Lebensgefährten, nicht für die genannte Person entscheiden oder handeln.
Welche Vorsorgemaßnahmen kann der einzelne treffen, damit am Ende seines Lebens seine persönlichen Wünsche Berücksichtigung finden? Vielen Mitmenschen ist mittlerweile bewusst, dass ohne eine entsprechende Vollmacht zukünftig eventuell Behörden, Gerichte oder Berufsbetreuer ihre Entscheidungen treffen werden.
Fürchteten sich die Menschen von einst vor dem Scheintod und davor, irrtümlich für tot gehalten und lebendig begraben zu werden, graut es vielen Zeitgenossen heute vor dem Scheinleben. Sie leben in der Furcht, bei schwersten Erkrankungen künstlich ernährt und am Leben erhalten zu werden. Die Medizin macht es möglich, dass Herz-, Kreislauf- und Atmungsfunktionen arbeiten, obwohl das Gehirn seine Mitwirkung unumkehrbar verweigert. Menschen werden an einem Leben festgehalten, von dem sich Körper, Geist und Seele schon verabschiedet haben. Vor dem Hintergrund dieser Angst vor einem jahrelangen Leben im Siechtum und einer qualvollen Verlängerung des Sterbens reifte zunehmend die Idee einer Patientenverfügung. Ziel war es, sich für einen natürlichen Tod und gegen eine qualvolle Lebensverlängerung um jeden Preis selbständig zu entscheiden.
In Kombination mit einer gut gestalteten Vorsorgevollmacht kann der Betroffene auch in den schwersten Lebenslagen sicher sein, dass sein Wille berücksichtigt und nötigenfalls auch gegen den Willen der behandelnden Ärzte durch seinen Bevollmächtigten durchgesetzt wird.
Detaillierte Informationen und aktuelle Gerichtsentscheidungen zum Erbrecht und Vorsorgerecht erhalten Sie auf der Website des Netzwerks Deutscher Erbrechtsexperten e.V. (www.ndeex.de), einem Zusammenschluss erbrechtlich versierter Rechtsanwälte.