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\\ Einschneidende Änderungen im Rahmen der Sozialgesetzgebung mit der Auswirkungen auf die Testamentsgestaltung

Häufig werden spezielle Testamente errichtet, um das Erbe behinderter oder bedürftiger Kinder vor dem Zugriff des Staates zu schützen. Die neuesten Änderungen des SGB II und SGB XII (2023) haben Einfluss auf die erbrechtlichen Möglichkeiten zur Absicherung bedürftiger Kinder.

Die wichtigsten Änderungen stellen die Einstufung einer Erbschaft als Vermögen und die Anhebung der Vermögensfreibeträge dar.

Erbschaften sind zukünftig Vermögen

Bisher wurden Erbschaften als Einkommen behandelt. Die Regelungen zum Schutz ererbten Vermögens vor Verrechnung mit staatlichen Sozialleistungen (Freibeträge, Schonvermögen) galten daher nicht. Einmalige Einnahmen waren auf sechs Monate zu verteilen, wenn die Berücksichtigung in einem Monat zu einem Entfallen des Leistungsanspruches führen würde. Erst anschließend wurde der verbleibende Teil der Erbschaft im Rahmen der sehr niedrigen Grenzen des Schonvermögens als Vermögen behandelt.

Mit den neuen Regelungen stellen Erbschaften nun seit dem 01.01.2023 für die Leistungen nach dem SGB XII von Anfang an Vermögen dar (§ 82 I Nr. 9 SGB XII nF). Dasselbe gilt ab dem 01.07.2023 für die Leistungen nach dem SGB II (§ 11a I Nr. 7 SGB II nF).

Damit müssen Erbschaften zukünftig nur dann für den Lebensunterhalt des Erben genutzt werden, wenn diese (zusammen mit etwaigen Eigenvermögen der leistungsberechtigten Person) über die Vermögensfreibeträge hinausgehen bzw. kein Schonvermögen sind.

Anhebung der Vermögensfreibeträge

Bisher galten u.a. ein Grundfreibetrag von 150 € je vollendetem Lebensjahr für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende volljährige Person und deren Partner, mindestens aber jeweils 3.100 €. Eine alleinlebende 60-jährige Person hatte also einen Grundfreibetrag von 9.000 €.

Nach § 12 II SGB II nF ist nun für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende Person ein Betrag in Höhe von 15.000 € anzusetzen.

Innerhalb der Karenzzeit von einem Jahr ab erstem Leistungsbezug (§ 12 III, IV SGB II nF) gilt für die leistungsberechtigte Person ein Freibetrag von 40.000 €, für jede weitere in der Bedarfsgemeinschaft lebende Person 15.000 €.

Gerade kleinere Erbschaften können daher zukünftig vor dem Zugriff des Leistungsträgers geschützt sein.

Erbrechtliche Schutzmöglichkeiten

Ist absehbar, dass das Erbe über die Freibeträge des Erben hinausgeht, so möchten viele Eltern den Zugriff des Staates verhindern, um Ihren Kindern aus dem Erbe etwas zukommen zu lassen, das über die staatlichen Leistungen hinaus geht.

Diese Testamente werden als Behinderten- oder Bedürftigentestament bezeichnet. In diesen Testamenten wird durch die Anordnung einer umfangreichen Testamentsvollstreckung über den Erbteil des bedürftigen Kindes in Kombination mit detaillierten Verwaltungsanordnungen für die Verwendung des Vermögens durch den Testamentsvollstrecker der Zugriff des Staates oder etwaiger Gläubiger verhindert. Ergänzend soll über die sog. Vor- und Nacherbfolge vermieden werden, dass nach dem Tod des Bedürftigen das restliche Nachlassvermögen verloren geht.

Wie der Testamentsvollstrecker das Erbe einsetzen kann, ohne einen staatlichen Zugriff zu riskieren, ist im Einzelfall zu klären (häufig genannt z.B. Urlaube, Freizeitaktivitäten etc.) und orientiert sich an den Verwaltungsanordnungen des Erblassers.

Ist der Erbfall noch nicht eingetreten, sollten betroffene Familien ein etwa bereits vorhandenes Testament zugunsten eines behinderten oder bedürftigen Kindes an die neue Rechtslage anpassen. Sollte eine solche letztwillige Verfügung noch nicht vorliegen, wird es in den meisten Fällen auch nach neuer Rechtslage nach wie vor nötig sein, ein solches Testament zu errichten. In beiden Fällen wird in Anbetracht der Komplexität der Rechtslage die Hilfe eines Fachanwalts / einer Fachanwältin für Erbrecht notwendig sein.

 

Florian Enzensberger
Fachanwalt für Erbrecht, Weilheim

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